Böblingen: Der Chor „ofChors“ probt seit einem Jahr trotz Corona weiter regelmäßig mit Hilfe von Online-Proben / Das dabei entstandene Videoprojekt hat im Netz über 1500 Aufrufe
Wöchentliche Chor-Proben trotz Corona? Das ist in diesen Zeiten nur schwer möglich. Zumindest was Präsenz-Proben angeht. Da den 21 Sängern des Böblinger „ofChors“ aber das gemeinsame Singen und der Austausch fehlte, überlegten sie sich gemeinsam mit Chorleiter Gregor Kissling ein besonderes Proben-Konzept und haben dabei auch ein Musik-Video produziert.
Einmal in der Woche treffen sich die Sänger des Böblinger „ofChors“ zur gemeinsamen Probe – digital. Statt Notenblätterrascheln und einem kurzen Plausch mit dem Nebenmann, heißt es zuhause ein ruhiges Plätzchen finden, Kamera einschalten und sich vor dem Bildschirm platzieren. Dank der Videotelefonie-Plattform Zoom können sie sich alle gegenseitig im Bildschirm sehen. Und Chorleiter Gregor Kissling kann dem Chor wie gewohnt die Einsätze geben.
Doch es ist nicht alles wie gewohnt. Die Besonderheit: Die Sänger können sich zwar sehen und so gemeinsam singen, doch eigentlich singt jeder nur für sich. Denn hören können sie sich gegenseitig nicht. Die Mikrofone bleiben stummgeschaltet. Das ist nötig, da bei den Online-Proben nicht alle der live Videos und damit auch der Ton gleichzeitig bei den Sängern ankommen. Wäre jeder zu hören, entstünde ein riesiges Ton-Kuddelmuddel.
„Das macht unglaublich Spaß“
Der einzige der während der Probe für alle zu hören ist, ist Chorleiter Gregor Kissling. Er gibt den Sängern Einsätze, singt Passagen für die einzelnen Stimmen vor, begleitet auf dem Klavier und dirigiert einen für ihn stummen Chor. Ob der Einsatz richtig war, können nur die Chormitglieder zuhause hören. Um aber wie gewöhnlich auch mit den einzelnen Stimmen bestimmte Passagen einzuarbeiten, gibt es extra eingerichtete Chatrooms. Und auch bei konkreten Nachfragen, kann man sich gemeinsam mit dem Chorleiter kurz in einen abgegrenzten digitalen Raum „zurückziehen“, das Mikrofon aktivieren und sich Tipps holen oder Stellen vorsingen.
„Einige von uns waren anfangs skeptisch, vor allem weil nicht alle die technischen Voraussetzungen für die Online-Proben hatten“, erzählt Rosi Schehrer, die schon seit über 15 Jahren in dem Böblinger Chor singt. Aber man habe sich untereinander geholfen und unterstützt. „Das macht unglaublich Spaß“, schwärmt sie. Dennoch sei es ein ganz anderes Proben als sonst, fügt sie hinzu. „Im Chor singt man eigentlich nie alleine, jetzt geht es aber nicht anders.“ Vor allem bei schwierigen Passagen vermisse man schon schnell den gewohnten Nebenmann. „Aber es ist eine tolle Herausforderung für jeden und ohne diese Möglichkeit wäre vieles verloren gegangen“, sagt sie. Und auch zwischen den Proben bleibt wie gewöhnlich Zeit, sich auszutauschen.
Und das Konzept geht auf. Im vergangenen Sommer, als unter gewissen Auflagen gemeinsame Proben möglich waren, hatte sich ein Teil der Sänger in Präsenz getroffen, die anderen waren per Zoom live dazu geschaltet. „Unser Chorleiter war total überrascht, welche Fortschritte wir gemacht haben“, sagt Rosi Schehrer.
Motiviert durch diesen Zwischenerfolg proben die Sänger bis in den November wieder ausschließlich per Zoom. „Dann war es aber doch irgendwann ein bisschen ermüdend“, sagt Torsten Arnold, der ebenfalls im Chor singt. So kommt schnell die Idee auf, sich mit einem gemeinsamen Projekt ein Ziel zu setzen. Das Ziel: Ein gemeinsames Video zu dem Lied „Here to love“ von Lenny Kravitz. „Da ging ein unglaublicher Ruck durch den Chor. Alle waren motiviert, hatten das Ziel vor Augen und haben mit neuer Begeisterung gesungen“, sagt Torsten Arnold.
Damit die einzelnen Videos, die jeder der Sänger bei sich zu Hause aufgezeichnet hat, auch miteinander harmonieren, ist jede Menge Arbeit und Disziplin erforderlich. Keines der Videos kommt in den Schnitt, bevor es nicht den Qualitätstest von Chorleiter Gregor Kissling bestanden hat. „Er hat da sehr auf die musikalische Qualität geachtet und auch Online-Einzelcoachings gegeben“, erzählt Torsten Arnold.
Video im Internet
Mit dem Video wollen die Sänger aber nicht nur zeigen, was sie in einem Jahr Online-Probenarbeit erreicht haben, sondern auch ein Statement setzen. „In dem Lied geht es darum, dass wir alle Menschen sind, egal woher wir kommen oder wie wir aussehen. Und dass es um die Liebe und die Gemeinschaft geht, nicht um Hass und Ausgrenzung“, sagt Torsten Arnold. Die Idee hinter der Video-Gestaltung kommt von Chormitglied Markus Schäfauer. Die einzelnen Videos der Sänger und die Klavierbegleitung des Chorleiters hat Torsten Arnold dann zu einem Video zusammengesetzt und den Ton abgemischt.
Positive Reaktionen
Inzwischen ist das Projekt abgeschlossen und das Video ist im Internet abrufbar. „Das Schönste waren die vielen positiven Reaktionen, die wir auf das Video bekommen haben. Das tat uns allen nach der vielen Arbeit richtig gut“, sagt Torsten Arnold. Rund 1500 Mal wurde das Video inzwischen angeklickt. Ein Erfolg, mit dem der Chor so eigentlich gar nicht gerechnet hatte. „Wir sind unglaublich dankbar für die tollen Rückmeldungen“, sagt Torsten Arnold. Rosi Schehrer ergänzt: „Mit unserem Video-Projekt wollen wir anderen Chören auch Mut machen, dass das Proben auch so funktionieren kann.“